BaubetriebsWelten
VOB-Welt
Die VOB-Welt, das ist die Welt des Baubetriebs in Deutschland. Dabei liegt die VOB gar nicht automatisch den Bauverträgen auf deutschen Baustellen zugrunde. Ganz im Gegenteil. Bei den Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen, der VOB/B, handelt es sich nämlich nicht um eine Rechtsnorm sondern vielmehr um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) und diese bedürfen einer ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarung. Hingegen unterliegt ein Bauvertrag im Geltungsbereich des deutschen Rechts stets dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB).
Das BGB regelt das Werkvertragsrecht. Sofern keine wirksamen abweichenden Vertragsvereinbarungen getroffen wurden, gilt das Werkvertragsrecht des BGB uneingeschränkt. Der Hinweis auf abweichende Vertragsvereinbarungen lässt schon erkennen, dass das Werkvertragsrecht des BGB durchaus abdingbar ist.
Da das BGB-Werkvertragsrecht nicht gerade bauspezifisch ist, sondern auch alltägliche Werkleistungen regelt, wurden bereits 1921 die ersten Regelungen für die Erstellung von Bauleistungen entwickelt und schließlich 1926 als VOB, der damaligen Verdingungsordnung für Bauleistungen eingeführt. Seit der Änderung im Jahre 2002 nennt sich diese nunmehr Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen.
Die VOB/B ergänzt und ändert die bauvertragsrechtlichen Lücken des BGB-Werkvertragsrechts. Bei einer wirksamen Vereinbarung der VOB/B gilt sie gemeinsam mit den Bestimmungen des BGB, wobei einige VOB/B-Regelungen dem BGB-Werkvertragsrecht sogar vorgehen.
Der rechtliche Status der VOB/B als Allgemeine Geschäftsbedingungen führt allerdings dazu, dass für die Wirksamkeit regelmäßig Voraussetzungen zu erfüllen sind. Zum einen ist dem unkundigen privaten Bauherrn die VOB/B zur Kenntnis zu reichen und zum anderen bedarf es einer Vereinbarung der VOB/B als Ganzes.
Einzelne Regelungen der VOB/B würden bei isolierter Betrachtung einer AGB-Inhaltskontrolle nicht stand halten und somit unwirksam sein. Die VOB/B als Ganzes gilt hingegen als ausgewogen. Das Abbedingen einzelner VOB/B-Regelungen führt regelmäßig dazu, dass die VOB/B als Ganzes in Frage gestellt wird und anstelle dieser dann unwirksamen VOB/B-Klauseln die gesetzlichen Bestimmungen des BGB gelten.
Anspruchsgrundlagen nach der VOB/B
Bei einem Bauwerksvertrag mit vereinbarter VOB/B sind die formalen Voraussetzungen bei Mehrvergütungsansprüchen zu beachten. Je nach Anspruchsvoraussetzung kommen unterschiedliche Anspruchsgrundlagen in Betracht. Das sind zum einen der Vergütungsanspruch bei geänderten und zusätzlichen Leistungen gem. § 2 Abs. 5 und Abs. 6 VOB/B, die Kostenerstattung infolge unzweckmäßiger Anordnung gem. § 4 Abs. 1 Nr. 4 VOB/B, der verschuldensabhängige Schadenersatz gem. § 6 Abs. 6 VOB/B und die verschuldensunabhängige Entschädigung gem. § 642 BGB.
Mit Ausnahme des in der Praxis eher unbedeutenden Anspruchs infolge unzweckmäßiger Anordnung können alle wesentlichen Anspruchsgrundlagen dem Schaubild entnommen werden.
Praxisfall Betonmehrverbrauch bei Schlitzwandarbeiten
Die in einem Subakkordanten-Vertrag übertragenen Spezialtiefbauarbeiten beinhalten Schlitzwandarbeiten in Ortbeton als Gründungselemente. Dabei wurde eine vertragliche Arbeitsteilung vereinbart, die eine Beistellung des Betons durch den AN sowie eine Übertragung aller anderen Arbeiten zur Herstellung der Schlitzwand an den Sub-AN vorsieht.
Dieses ist der Ausgangspunkt einer vertraglichen Auseinandersetzung des AN mit dem Sub-AN. Bei den Schlitzwandarbeiten stellte sich gegenüber den mit dem AG abzurechnenden Mengen ein Betonmehrverbrauch ein. Nach Auffassung des AN ist die Verantwortung für den Betonmehrverbrauch beim Sub-AN gelegen. Dementsprechend hat der AN die Kosten für den Betonmehrverbrauch einbehalten und von den Rechnungen des Sub-AN in Abzug gebracht.
Der Sub-AN seinerseits erachtet die für den Betonmehrverbrauch einbehaltenen Beträge für ungerechtfertigt und verlangt vom AN eine vollständige Vergütung seiner Schlitzwandarbeiten.
In seinen Grundsätzen zu Recht, denn mit der Materialbeistellung sind erhebliche Haftungsfolgen verbunden. Der AN haftet nicht nur für die Qualitätsmerkmale des Betons sondern auch für die Quantität, allerdings begrenzt auf die bauteilbezogenen, sach- und fachgerecht einzubauenden Mengen. Durch die bauseitige Materialbeistellung wurde dem Sub-AN das Mengenrisiko wegbedungen.
Dieses scheint die wesentliche Zweckbestimmung der Betonbeistellung durch den AN zu sein. Anderenfalls hätte der AN den Sub-AN verpflichten müssen, den Schlitzwandbeton der Baustelle zu einem vorgegebenen Preis zu beziehen. In dem Fall wäre das Mengenrisiko beim Sub-AN verblieben und er hätte das Mengenrisiko kalkulatorisch zu berücksichtigen gehabt.
Die Ursächlichkeit des Betonmehrverbrauchs in der Schlitzwand ist in den regelmässig zu berücksichtigenden Imperfektionen des Bodens gegeben. Die Kostenfolgen hierfür sind damit nicht dem Sub-AN anzulasten. Dieser Betonmehrverbrauch ist im Innenverhältnis AN zu Sub-AN vielmehr der Risikosphäre des AN zuzuordnen. Die Mehrverbräuche beim Kappbeton sind zudem verfahrensbedingt und ebenfalls nicht dem Sub-AN anzulasten sondern, in Ermangelung vertraglicher Toleranzvereinbarungen und gestützt auf die Vereinbarung einer bauseitigen Beistellung, im Risikobereich des AN gelegen.
Praxisfall Einbau von Hülsenrohren
Der Zuschlag für eine Bohrpfahlgründung erging auf ein pauschaliertes Nebenangebot. Dieses Nebenangebots beinhaltete die Bewehrung der Bohrpfähle nach statischen Erfordernissen, fünf Drucksondierungen zur Pfahllängenbestimmung, Hülsen, Kapparbeiten, eventuelles Durchkernen von Mauerwerk, Beton oder Fels in fixundfertige Arbeit. Dabei wurde das Baugrundrisiko bezüglich der Hindernisse und das Risiko der Pfahllängen vollständig vom AN übernommen.
Bei der Ausführung der Bohrpfahlgründung verlangte der AG den Einbau von Hülsenrohren, die nach seiner Auffassung vertraglich geschuldet waren. Der AN zeigte daraufhin dem AG einen zusätzlichen Vergütungsanspruch für den Einbau zusätzlicher Hülsenrohre an.
Dabei stellte sich die Frage, ob die Forderung des AG eine Aufforderung zur Beseitigung einer mangelhaften oder vertragswidrigen Ausführung darstellt oder ob es sich vielmehr um eine Anordnung zur Erbringung einer zusätzlichen Leistung handelt.
Unabhängig von der Beauftragung des Nebenangebots schuldet der AN eine Bohrpfahlgründung mit den hiermit verbundenen vertraglichen Eigenschaften. Da die Zweckbestimmung einer Bohrpfahlgründung einzig und allein die Tragfähigkeit der Bohrpfähle ist, bestimmt die Tragfähigkeit auch die vertragliche Eigenschaft einer derartigen Gründung.
Dieses inkludiert alle im Zusammenhang mit der Ausführung erforderlichen Leistungen, wie die angebotenen Drucksondierungen zur Pfahllängenbestimmung, Hülsen, Kapparbeiten und ein eventuelles Durchörtern von Mauerwerk, Beton oder Fels. Der Einbau von Hülsenrohren zählt damit, sofern zum Erreichen der vertraglichen Eigenschaften erforderlich, zum geschuldeten Leistungsumfang. Dabei ist es vor dem Hintergrund der angebotenen Pauschale unerheblich, ob an den Bohrpfählen über weite Strecken Hülsenrohre einzubauen sind oder nicht. Wesentlich ist hier lediglich die sachbezogene Notwendigkeit zur Gewährleistung der Tragfähigkeit. Oder anders ausgedrückt sind Hülsenrohre immer dann einzubauen, wenn der geschuldete Erfolg, also die Tragfähigkeit der geschuldeten Bohrpfähle, nur so zu gewährleisten ist.
Das Ausführungsrisiko liegt durch das mit dem beauftragten Nebenangebot übernommene Ausführungsrisiko allein beim AN. Dieses berührt auch den Einbau von Hülsenrohren, die von ihrer Zweckbestimmung eine Vorkehrung dafür sind, dass keine Feinanteile des frischen Betons von fließendem Grundwasser aus der Pfahlmantelfläche ausgewaschen werden. Daher kann es nach der DIN EN 1536 bei weichen Böden nötig sein, den frischen Beton durch verlorene Hülsen einzufassen.
Nach den Drucksondierergebnissen war ein Einbau von Hülsenrohren für das Erreichen der vertraglichen Eigenschaften der geschuldeten Bohrpfähle aus fachtechnischer Sicht nicht erforderlich.
Tatsächlich greift die Forderung des AG in das Ausführungsrisiko des AN ein. Sie blieb dabei fachtechnisch unbegründet. Die nach einer fachtechnischen Stellungnahme unnötigen Hülsenrohre hätte sich der AN ersparen dürfen. Vor diesem Hintergrund stellt die auftraggeberseitige Aufforderung eine vergütungspflichtige Anordnung zur Erbringung einer zusätzlichen Leistung dar.